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Prototypen im Orgelbau

Prototypen sind dem Duden nach eine "erste Ausführung ... einer Maschine nach den Entwürfen zur praktischen Erprobung und Weiterentwicklung".
Im Sprachgebrauch meiner Entwicklungsumgebung gibt es verschiedene Stadien der Entwicklung bis zum serienreifen Gerät. Zur Vereinfachung nummeriere ich sie einfach durch:
Prototyp 1: Funktionsmodell (1:1) zum Nachweis des Gerätekonzeptes, sehr aufwendig hergestellt mit vielen einmalig angefertigten Teilen;
Prototyp 2: Funktionsmodell mit fertigungsgerechten Lösungen, aber hohem Montageaufwand, es werden mehrere Stück aufgebaut;
Prototyp 3: Seriennahes Gerät mit zahlreichen seriennahen Details, gut zu montieren, aber noch nicht preiswert.
Ein seriennahes Gerät ist vollkommen durchgestaltet, preiswert zu bauen, also in kurzer Zeit zu montieren und zuverlässig funktionierend über die gesamte Lebensdauer.

Der Orgelbau zeigt viele Parallelen mit dem Bau von Prototypen in der Industrie. Durch meine Tätigkeit als Entwicklungs-Ingenieur habe ich beim Bau von Prototypen viele Erfahrungen sammeln können. Ein wichtiges Werkzeug ist heute ein gutes 3D-CAD-System. Es braucht aber auch weiterhin das räumliche Vorstellungsvermögen, da eine Orgel hochgradig komplex ist; vor allem, wenn sie kompakt gebaut sein soll. Ich habe die Übeorgel zuerst auf Papier unmaßstäblich geplant, dann 1:10, später 1:1 gezeichnet. Der Anspruch nach einer platzsparenden und gefälligen Lösung war immer da und dies ist nur durch eine kompakte Lösung erreichbar. Dazu wurde die Orgel mehrfach von außen nach innen und wieder von innen nach außen durchgestaltet. Dies erklärt teilweise, weshalb die Vorbereitungszeit von der ersten Idee bis zum Baubeginn etwa 9 Jahre ausmachte (1988-1997). Auch während des Baues gab es durch Weiterentwicklungen ein verbessertes Niveau der Ausgestaltung und Zuverlässigkeit.

Verglichen mit dem Entwicklungsstand zwischen Prototyp und serienreifem Gerät soll eine Orgel aus Kostengründen möglichst weit seriennah sein, wird aber bestenfalls als Prototyp 2 oder 3 fertig. Die Entwicklung eines seriennahen Gerätes erreicht nur ein Orgelbauer mit viel Erfahrung, aber das Stadium eines Prototypen 2 oder gar 3 ist auch schon gut und im Hausorgelbau völlig ausreichend. Bei nicht wenigen Hausorgelbauern ist allerdings zu beobachten, dass das Stadium eines Prototypen 1 nicht verlassen wird. Sofern der Weg dahin das Ziel war, also der Orgelbau selbst, ist das Ergebnis befriedigend. Soll aber ein funktionstüchtiges, gut klingendes und dauerhaft spielbares Instrument herauskommen, dann ist das nicht genug. Hier hat in den letzten Jahren der Erfahrungsaustausch unter Hausorgelbauern, auch mit Hilfe von Orgelbauern, das Niveau in Richtung Prototyp 2 oder gar 3 gesteigert. Es braucht nicht mehr so viel probiert werden und gute Lösungen sind leichter verfügbar. Erfreulich ist die Tatsache, dass heute der Wissenstransfer keine Einbahnstraße ist vom Orgelbauprofi zum Hausorgelbauer oder anders ausgedrückt: vom Orgelbauer, der davon leben muss zu dem, der den Bau als Hobby betreibt. Dies hat sehr deutlich die Tagung des Arbeitskreises Hausorgel in der GdO 2001 in Waldkirch gezeigt und spiegelt sich auch in der Mitgliederliste dieses Arbeitskreises wider.

(tr)

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